Ars Electronica 2006 - Simplicity
Die Nachmittag-Session der Simplicity-Konferenz habe ich live mitverfolgt. Die These, dass Technologie unsere Welt komplexer gemacht hat, ist soweit nicht spektakulär, daher ist es schwierig darüber zu diskutieren. Denn es ist die Einhaltung der Vorstellungen zur Einfachheit, die schwierig sind. Daran scheitern wir immer wieder. Der letzte Vortragende des Nachmittags, Eric Yeatman vom Imperial College, hat als Vorbedingung genannt, soviel Komplexität im Inneren von technischen Geräten zu verwenden und so simpel wie möglich das Interface zu gestalten. Doch da liegt das Problem: wir wollen, wenn wir für innen komplexe Systeme entwickeln, auch außen die Möglichkeit geben, viele Funktionen der Systeme zur Verfügung zu stellen. Dadurch erhöhen wir die Komplexität des Außen. Für jene, die das System erarbeiten, oder sich damit intensiv beschäftigt haben, sind die Funktionen Außen immer einfach zu bedienen, da sie verstehen, wie Ursache und Wirkung miteinander zusammenhängen. Ob dieses Verständnis tatsächlich "richtig" ist, oder nur eine Annäherung an die tatsächlichen Funktionsprinzipien ist nebensächlich. Entscheidend ist: das Außen, das Interface, steht für BenutzerInnen mit Erfahrung und Wissen in bedeutungsvollem Zusammenhang mit dem Innen. Für die erfahrenen BenutzerInnen, oder eben ExpertInnen, ist der Blick der Neuen auf das System und deren Unverständnis für die Benutzung nicht nachvollziehbar. Für die ExpertInnen ist ein System immer einfach, da sie seine Bedeutung erkannt haben.
Jason Kottke hat in seinem Vortrag die Formel an die Wand geworfen "simplicity is about adding meaning not substracting information". So einprägsam die Formal auch ist, so ist sie doch falsch, da "simplicity" eigentlich durch "experience" ersetzt werden müsste. Es ist das Verständnis oder die Erfahrung, die Bedeutung gibt, also letzlich die Lernerfahrung. Für einfache Dinge sollte aber kein oder kaum Lernen notwendig sein und auf vorhandene Erfahrungen zurück gegriffen werden können, sowie die Bedeutung der Dinge aus der Funktion heraus erwachsen. "Simplicity" wäre demzufolge "about fitting meaning to the experience of the people". Die Formel ist aber dann leider nicht mehr so einprägsam.
Der aus Hong Kong kommende Architekt Gary Chang hat mit seinem Vortrag auf jeden Fall gezeigt, dass der zweite Teil der Formel von Jason Kottke richtig ist. Gary Chang hat einige Projekte zur Minialisierung von Wohnraum vorgestellt. Eim eindrucksvollsten waren die Pläne und Darstellungen seiner eigenen Wohnung. Durch das Weglassen von eindeutig zugewiesenen Funktionsräumen gelingt ihm eine optimale und multifunktionale Nutzung des spärlich vorhandenen Raums. Doch einfacher wird das Leben dadurch nicht. Das multifunktionale Wohnen funktioniert nur dann, wenn ich mich erinnern kann hinter welchem Vorhang welche Funktion versteckt ist. Und sie funktioniert nur mit einer Ordnungsdisziplin. Denn um von einer Wohnfunktion in die nächste zu kommen, bedarf es der Verschiebung und Veränderung der multifunktionalen Wohnlemente. Die Information wofür ein Möbel oder ein Raum konzipiert wurde, wird weggelassen. Diese Information muss in einem multifunktionalen Raum immer wieder neu geschaffen werden. Einfach ist das nicht.
Wenn es aber dann offenbar so kompliziert ist, einfach zu sein, drängt sich eine Grundsatzfrage auf: Ist Einfachheit überhaupt machbar? Die Antwort steckt im "machbar" der Frage. Je weniger ich machen kann, bis hin zum nichts zu machen, desto eher ist etwas einfach. Aber wir wollen als Menschen ja machen und lernen. Dadurch wächst die Komplexität, denn je mehr wir machen, desto mehr Möglichkeiten werden geschaffen. Es gilt also eher zu entscheiden, was lasse ich außen weg, obwohl es innen möglich wäre, oder, emanzipatorischer, wie lasse ich das außen mit den Erfahrungen der BenutzerInnen mitwachsen, um mit der Zeit das Potential des Innen sich zu erarbeiten und vielleicht sogar andere Einsatzmöglichkeiten zu finden, als geplant waren? Eine Antwort gibt das World Wide Web mit den Ansätzen der Social Software. Wie Olga Goriunova in ihren Ausführungen "When New Media are No Longer New and Everyone Creates on the Internet" bemerkt, sind im Web für "alle" Möglichkeiten geschaffen worden, selbst zu produzieren. Dann sind Medien einfach genug zu benützen, erschaffen aber ein komplexes Bild unserer Welt. Die Notwendigkeit einer avantgardistischen "new media art" existiert zumindest im WWW dann nicht mehr. Womit ich wieder am Ende beim Ausgangspunkt angelangt wäre: Das schwierige beim Einfachen ist das Zurückhalten beim möglich machen.
Alle Konferenzbeiträge gibt es als
podcasts.
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A pros pos Lovink
Schreibe gerade an einem kleinen Paper und merke, dass der Herr Lovink eine sehr ähnliche EInstellung zu Weblog und Journalismus hat.
The picture is clear. Only a minority of bloggers see any kind of relationship with journalism. Most blogs deal with personal experiences, and do not focus on the news media, even less on politics. It is a vocal minority of US-American A-list bloggers who constantly misrepresent the image of blogging and push blogging into their direction. As a matter of fact, a blog is first of all easy to use software and should be regarded the next generation home page. It is a general platform, serving general purposes. There is no intrinsic relationship between blogging and news, but it’s going to be a long uphill struggle to get this simple message through.
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Gert Lovink hat ein neues Projekt, das Institute of Network Cultures. Klingt vielversprechend, vor allem die angekündigte Konferenz im April 2007 zur deutschen Medientheorie.
via rohrpost
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