Wikinomics Rezension
Somerzeit ist Lesezeit. Heute:
Tapscott, Don; Williams, Anthony D. (2006). "Wikinomics: How Mass Collaboration Changes Everything". New York: Portfolio. ISBN 978-1-59184-138-8
Keywords: peer production, Ideagoras, prosumers, collaboration
Kollaboratives Arbeiten im Web? – Wir haben verstanden! – Das scheint die Botschaft der beiden Autoren zu sein. Auf über 290 Seiten leiten sie auf Basis von Fallstudien, Interviewserien und Analysen gesellschaftlicher Internetphänomene ab, wie eine offenere Arbeitsweise von Unternehmen funktionieren kann. Ausgangspunkt sind die Veränderungen der letzten Jahre, verursacht durch technisch versierte und einfallsreiche InternetnutzerInnen. Die Art wie sich UserInnen im Netz treffen, unterhalten, austauschen und Innovationen vorantreiben, brachten unter anderem die Musik- und Filmindustrie unter Druck. Konsequenterweise mussten sich die Branchen strukturell verändern. Der Veränderungsdruck wird sich auch auf andere Branchen ausdehnen, so der Befund der Autoren. Am Beispiel Skype zeigt sich, dass bereits die Telekomindustrie erfasst wurde. Doch die Veränderungen werden nicht nur Informationsdienstsleister betreffen. Es lässt sich aus dem Veränderungsdruck auch ein Innovationsumfeld schaffen, das auch anderen Industrien hilft, einen Wettbewerbsvorteil zu erreichen. Um am "Zeitalter der Partizipation" teilzuhaben, gilt es vier Prinzipien (Being Open, Peering, Sharing, Acting Globally) zu berücksichtigen. Bei aller offenen und transparenten Zusammenarbeit mit Gleichinteressierten auf der Welt, muss auch Vorsicht walten, dass sich eine Firma immer ihrer Stärken im Öffnungsprozess und ihrer zentralen Intellectual Properties bewusst ist. Wie dieser Spagat, für Unternehmen und Personen, gangbar sein könnte, elaborieren die Autoren anhand spannender Fallbeispiele aus unterschiedlichsten Branchen und Firmen.
Das Buch ist leicht lesbar und unterhaltsam geschrieben. Um die vier Prinzipien der Partizipation herum entsteht so eine Mischung aus Studienbericht, Businessratgeber und ein wenig Theorie. Letztere schließt an den Diskurs zu Innovationen bei von Hippel, Benkler, Lessig und Anderson an. Doch die Mischung ist auch die größte Schwäche des Buchs. Sehr viele Argumente sind sehr durchdacht, werden aber nicht gut genug abgesichert, um einem wissenschaftlichen Anspruch gerecht zu werden. Umgekehrt bleiben die Business-Tipps sehr auf der strategischen Ebene und die Theorie kennt viele Vorarbeiten nicht an, bzw. verweist nicht auf sie. Wenn aus "Wikinomics" ein neues Managementstichwort à la just-in-time und lean-Management wird, würde das die Autoren nicht stören. Geht das nicht auf, dann reicht es immer noch, um die Ankunft der Net-Gen anzukündigen. Die flexiblen und medienversierten InformationsarbeiterInnen der kommenden Generation werden bald die Veränderung zur Win-Win economy, die sie mit peer-to-peer und sharing Netzwerken begonnen haben, vollenden. Das scheint zumindest die Hoffnung der Autoren. Immerhin wird in der "Theorie von Wikinomics" kein neuer dritter Weg (Benkler) oder gar eine Veränderung zu einem humanerem Kapitalismus (Lessig) beschworen. Es ist ein Business-Buch und der Kapitalismus bleibt, trotz, oder vielleicht wegen des Internets. Was den Autoren gelingt ist innerhalb der strukturellen Veränderungen des Systems neue Denk- und Kooperationsansätze zu diskutieren. Kurz: sie machen einen gelungenen Verbeserungsvorschlag, wie Wikis, Blogs und soziale Netzwerke in nachhaltige Wertschöpfiungsketten integriert werden können. Die Möglichkeiten des offenen Internets sind keine Bedrohung sondern eine konsequente Weiterentwicklung unseres Wirtschaftslebens. Wer verliert, wenn alle, die sich an Wikinomics halten gewinnen, wird angedeutet und geht etwas unter im Rat der Autoren: Gebt der "Masse" einen Minianteil ab, behaltet die zentralen Stellen des Wissens und alle werden zufrieden sein. Rupert Murdoch wird sich freuen, dass er bei MySpace nicht auf Seiten der Masse ist.
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